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Ich glaube, ich bin im Himmel! Meine Gebete wurden offensichtlich erhört, denn hier ist die Bluesrock-Platte, auf die ich seit den 70ern gewartet habe. Errorhead sind: der musikalische Kopf und geniale Gitarrist der Band Marcus Nepomuk Deml, der Bassist Frank Itt und der Schlagzeuger Zacky Tsoukas. Der Herr Deml wurde außerdem vom amerikanischen Magazin „Guitar Player“ unter die drei besten Gitarristen der Welt gewählt und erhielt in der Rock ’n’ Roll Hall Of Fame in Cleveland den Preis aus den Händen von Steve Lukather und Joe Satriani.
Mit Errorhead und „Modern Hippie“ legt er nun sein drittes Album vor. Die Frage ist jetzt, ob bei aller Virtuosität da auch eine wirklich gute Platte herausgekommen ist. Ich nehme es vorweg: aber sicher doch.

Marcus Nepomuk Deml ist in den letzten anderthalb Jahrzehnten ein Gitarrist für die Stars gewesen und hat über 300 Sessions gespielt. Angeblich hat ihn Jeff Beck mal als Mitmusiker abgelehnt, weil er ihn für zu gut befand. Die Geschichte könnte stimmen! Auf jeden Fall hat er Aufnahmen und Touren gemacht mit Earth Nation, Nena, Bobby Kimball, Pat Mears, Snap!, Rick Astley, Mario Adorf, Rödelheim Hartreim Projekt, Saga, Grooveminister, Kingdom Come, Achim Reichel etceterapepe.
Dieses Album ist für alle, die sich nach dem musikalischen Geist der späten 60er und frühen 70er sehnen, der bis rüber ins Jahr 2008 transportiert wird. Mit der modernsten Aufnahmetechnik der Toolhouse Studios in Rotenburg/Deutschland wurden in einem kreativen Prozess Songs entwickelt, die mich an Pink Floyd, Neil Young oder Jeff Beck erinnern.
Boah Ey, leck mich doch inne Tasche, der Knabe zupft vielleicht eine Saite, da kann man sich vor Gänsehäuten kaum retten.
Hört Euch „Temporary Impression“ an und wenn Euch da keine Schauder reiner Verzückung über den Rücken (Minimum) oder den ganzen Körper (Maximum) laufen, dann weiß ich auch nicht. Das Stück erinnert mich an Granaten des Gitarrenrocks wie „Cortez, The Killer“ und „Powderfinger“ von Neil Young, „Father Of Day, Father Of Night“ von Manfred Mann oder Steamhammers „Wouldn’t Have Thought“ aus den glorreichen Siebzigern.
Humor und eine gewisse Selbstironie gehören jedenfalls auch zum Repertoire von Marcus Deml, denn bei „That’s Good“ (23 Sekunden lang) zum Beispiel wird er von seinem Techniker aufgefordert, wegen des Signalpegels mal was zu spielen. Nur mit Mühe kann Marcus an einem längeren Solo gehindert werden. Aber bei „Connected“ darf er dann richtig loslegen, einem Rock `n` Funk-Stück (oder Funk ´n` Roll?), das dafür auch richtig Gas gibt und mit seinem mehrstimmigen Chor noch ein besonderes Kennzeichen hat. Bluesrockig und schneller wird’s dann bei „For My Brothers“, „Watch My Cloud“, „Bhangra Baby“ und „We Came In Peace“ (orientalisch angehaucht!), wo uns Nepomuk und die Gitarre zeigen, wo der Frosch die Locken hat.
Die anderen Stücke sind bluesige Songs zum Träumen, sollten aber trotzdem sehr laut(!) gehört werden, damit die hohen Gitarrentöne auch so richtig die Ohren freimachen. Dagegen gehört „Yeah Man“ in die gleiche Kategorie wie „That’s Good“. Es ist nämlich ebenfalls nur 28 Sekunden lang, aber totzdem spaßig.
Bei „Tàta“, dem letzten Song, lassen Django und sein Nachfahre Lulo Reinhard mit einem Stück in der Tradition des Gypsy Swing der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts herzlich grüßen. Großartig, flott und mitreißend!
Trotzdem gibt’s aber was zu meckern, HERR NEPOMUK DEML, weil mich persönlich das echt fertig gemacht hat. Das Stück „Dave“ zelebriert eine Lead-Gitarre vom Feinsten, kraftvoll, langsam Anlauf nehmend. Und als ich mich dann so gerade endgültig auf dieses Stück einlassen will, meine Ohren pulsieren schon vor Vergnügen, ist nach anderthalb Minuten Schluss. DAS nehme ich Ihnen wirklich übel, denn so verleihen Sie dem Begriff „Coitus Interruptus“ eine ganz neue Bedeutung. So ein Stück hätte ich gerne, sagen wir mal, mit mindestens sechs Minuten Spieldauer, wenn’s geht. Live kommt das bestimmt besonders gut!

Mein Fazit ist daher folgendes: „Modern Hippie“ bietet einen vielfältigen Stilmix mit Drumloops, Samples und Stimmverzerrer, Elektrobeats, Funk, Bluesrock und Blues. Natürlich bilden diese Stücke keine geschlossene Einheit, dazu sind sie zu verschieden. Ich will auch keine zu ähnlichen Stücke auf einer Platte, dazu sind meine Ohren einfach zu flexibel. Diese Unterschiedlichkeit macht es ja gerade interessant. „Modern Hippie“ ist ein faszinierendes Stück (Gitarren-)Musik für Genießer und solche, die es werden wollen. Kaufen!

Review by Squealer Rocks